Lieferkettenrisiken im Mittelstand: Zwischen Bauchgefühl, Firefighting und der Suche nach praktikablen SCRM-Lösungen
Die Aufgaben im Bereich Einkauf und Supply Chain Management sind so divers wie nie zuvor: Qualität, Preis, Verfügbarkeit, Compliance, Nachhaltigkeit & natürlich auch Risikomanagement. Vor allem in Bezug auf den zuletzt genannten Punkt sehen sich Einkaufsleiter heute mit einem sehr schnelllebigen Umfeld und sehr divers aufgestellten Risikoprofilen in Bezug auf Lieferanten, Rohstoffe, Commodities aber auch Logistikrouten konfrontiert.
Doch wie behalten sie den Überblick, wenn weder die Kapazitäten noch die Budgets für ein umfassendes Risikomanagement vorhanden sind? Ein Gespräch mit Steffen W., Einkaufsleiter in einem Unternehmen aus der Medizintechnik, zeigt, wie groß die Herausforderung in der Praxis wirklich ist.
1. Frage: Steffen, wie behalten Sie den Überblick über die Geschehnisse in Ihrer Lieferkette?
„Ganz ehrlich? Wir arbeiten mit einer Mischung aus Lieferanten-Feedback, Excel-Listen und Bauchgefühl. Es gibt natürlich Risikoberichte, aber wir haben keine standardisierte Methode, um Probleme wirklich frühzeitig zu erkennen. Ich höre oft erst durch Zufall, dass ein Lieferant Schwierigkeiten hat – dann ist es meist zu spät für proaktives Risikomanagement und wir driften wieder in Richtung Firefighting und bilden projektspezifische Task Forces.“
Hintergrund:
Viele mittelständische Unternehmen haben kein stringentes methodisches Vorgehen im Risikomanagement in der Lieferkette, sondern verlassen sich auf Einzelgespräche mit Lieferanten oder interne Erfahrungswerte. Doch Risiken entstehen oft außerhalb der direkten Sichtbarkeit, verursacht durch beispielsweise geopolitische Entwicklungen, Finanzprobleme bei Zulieferern oder plötzliche Veränderungen von Marktpreisen. In den letzten Jahren sind hier Probleme wie Corona oder aktuell der Handelskrieg mit den USA vermehrt sichtbar geworden und betreffen viele Unternehmen – vor allem im Mittelstand – akut. Während Großkonzerne oftmals dedizierte Ressourcen und eigene Teams für das Risikomanagement in der Lieferkette haben, bleibt in kleineren und mittleren Unternehmen dafür keine Zeit im Tagesgeschäft. Das Problem: Sobald eine Störung in der Lieferkette offensichtlich wird, ist der Schaden in Bezug auf die eigene Wertschöpfung meist schon nicht mehr abzuwenden.
2. Frage: Aber warum implementieren Sie nicht einfach eine größere SCRM-Software, um Risiken absehen zu können?
„Das wäre schön, aber wer soll das machen? Ein fundiertes SCRM braucht IT-Integration, Schulungen und oft ein eigenes Team, das sich darum kümmert. Das haben wir schlicht nicht – weder personell noch finanziell. Und mal ehrlich: Ich brauche auch kein riesiges System, sondern einfach eine schnelle, verlässliche Möglichkeit, um Risiken frühzeitig zu sehen.“
Hintergrund:
Viele Unternehmen wissen, dass sie Risiken in der Lieferkette besser managen und dementsprechend mittigeren müssten, aber klassische SCRM-Systeme sind aufwendig und teuer. Eine IT-Implementierung bedeutet oft monatelange Projekte, hohe Lizenzkosten und interne, gebundene Ressourcen. So belaufen sich die Kosten für eine solche SCRM-Lösung schnell auf sechsstellige Beträge pro Jahr. Für mittelständische Unternehmen ist das oft nicht machbar. Gleichzeitig aber wächst der Druck, vorausschauender zu agieren, bevor Risiken eskalieren.
3. Frage: Wenn ich Sie richtig verstehe, gibt es aktuell für Sie nur ein „entweder – oder“: Entweder Sie machen so weiter wie bisher, oder Sie investieren langfristig und einen relativ hohen Betrag in SCRM, sind sich aber gleichzeitig unsicher bezüglich des „echten“ Mehrwerts?
„Ja, genau. Und das ist das Problem, vor dem wir aktuell stehen. Ich habe am Markt noch keine praktikable Lösung gefunden, die genau unseren Schmerz löst: Einfach, schnell & effizient. Kein IT-Projekt, kein monatelanger Rollout. Ich brauche eine Möglichkeit, regelmäßig einen Überblick zu bekommen, wo sich Risiken abzeichnen und welche Auswirkungen bspw. geopolitische Entwicklungen auf unser Lieferantennetzwerk haben können. Ich habe weder die Zeit noch die Leute, um das selbst zu tun. Und ich will nicht erst merken, dass ein Lieferant Probleme hat, wenn er schon nicht mehr liefert.“
Hintergrund:
Die Anforderungen sind klar: Lieferkettenrisiken müssen proaktiv frühzeitig erkannt werden und ggf. bei Risikoeintritt schnellstmöglich kommuniziert werden – ohne aufwendige Softwareprojekte oder neue Personalstellen. Einkaufsleiter suchen nach einer Möglichkeit, informiert zu bleiben, ohne ihre Einkaufsorganisation im Arbeitsalltag zusätzlich zu belasten.
Fazit: Risikoerkennung darf kein Luxusproblem sein
Das Gespräch macht eines klar: Einkaufsleiter wissen um die Risiken in ihren Lieferketten – doch es fehlt ihnen an Ressourcen, diese aktiv zu managen. „Einkäufer müssen einkaufen“ – diese Aussage hören wir immer wieder. Zeit, Personal und Budget für eine umfassende SCRM-Lösung sind in vielen mittelständischen Unternehmen schlicht nicht vorhanden. Die aktuellen Alternativen sind alles andere als ideal: Manuelle Kontrolle ist zeitaufwendig und liefert oft erst Erkenntnisse, wenn es längst zu spät ist. Klassische SCRM-Systeme sind teuer, komplex und erfordern hohe Investitionen in IT, Schulungen und Personal. Risiken zu ignorieren ist keine Option – denn die Kosten ungeplanter Störungen sind auf lange Sicht um ein Vielfaches höher.
Die zentrale Frage bleibt: Wie kann ein vorausschauendes Risikomanagement – gerade in mittelständischen Unternehmen – funktionieren, ohne IT-Großprojekte, monatelange Implementierung oder hohe Budgets?